DEMOKRATIE. WOLLEN. KÖNNEN. DÜRFEN.

Ein Märchen wurde wahr im Sommer 2014! Der erste europäische Weltmeister auf südamerikanischem Boden – Deutschland besiegt Argentinien mit 1:0. Ein Dokumentarfilm zu Ehren dieses außergewöhnlichen Ereignisses wurde kürzlich veröffentlicht. Sein Name? Die Mannschaft.

Kürzlich wurde der Goldene Ball an den besten Fußballer der Welt verliehen. Die Wahl fällt auf den Ausnahmeathleten Ronaldo. Oft wird das Prinzip des Sports für Führung strapaziert. Doch auf welchem Prinzip basiert unsere vorherrschende Managementlogik? Dem der Mannschaft, oder der des Ausnahmetalents?

In den meisten Fällen gleicht Performancemanagement der Wahl des Goldenen Balls. Belohnung von individueller Klasse. Oder Grad der Zielerreichung des HR’lers? Paradoxerweise ist “Teamarbeit” oft eine Komponente der individuellen Leistungsbeurteilung. Teams sind in dieser Denke bestenfalls ausführende Elemente. Sicherlich keine Partner.

Oliver Kahn beschrieb im Interview die kollektive Entwicklung des Deutschen Nationalteams mit klaren Worten: Ein Trainer, der aus dem Ausscheiden in der letzten WM gegen Italien seine Lektion zog. Ein Team, welches kein Spiel um Platz 3 mehr wollte. Fortan traf Löw Entscheidungen demokratisch mit seiner Mannschaft. Diese akzeptierte und begrüßte die Mitverantwortung. Führte Analysen mit dem Trainer gemeinsam durch. Im geteilten Verständnis, dass der Trainer Verantwortung nicht auf sie abwälzte. Denn nach außen verteidigte er kontroverse Entscheidungen wie die Position Philipp Lahms als die seinen. Nein, stattdessen führte er seine Mannschaft mit klarem Rahmen (demokratische Mitverantwortung), klarer Erwartung (voller Einsatz für das gemeinsame Ziel) und hielt den Druck weitestmöglich von ihnen fern, damit sie ihr Ziel erreichen würden: Kein Spiel mehr um Platz 3!

Mehr (Unternehmens-) Demokratie wagen

Beispiele dieser Art Führung im betriebswirtschaftlichen Kontext gibt es mittlerweile genug und ihre Zahl steigt. Erfolgreiche wie SEMCO, W.L. Gore, Morningstar und AES. Gescheiterte wie Crytek und das alte HP. Junge wilde wie Valve, VAGAS, Haufe und Zappos. Sie alle verbindet Demokratie als selbst-organisierendes Führungsbetriebssystem von, für und durch mündige Erwachsene und ein gemeinschaftliches, sinnhaftes Ziel.

Doch wie kommt man im unternehmerischen Rahmen von einem diktatorischen Louis van Gaal Trainerstil und einem Verbund höchst-talentierter Individualisten zu einem Löw(en)-Packet?

Zuerst muss verstanden werden, dass Deutschland verlieren musste bevor es zu seiner Größe fand. SEMCO musste fast bankrott, ihr CEO dem Herzinfarkt nahe sein. In allen Beispielen gab es unternehmerische Motivationen ein neues, besseres System zu wählen. Die Profitmaximierung als Triebfeder reicht nicht. Schließlich wollte ja auch jedes Team die WM gewinnen. Kopieren reichte nicht, denn Spanien, die erfolgreichste Mannschaft der letzten Jahrzehnte war bereits ein Auslaufmodel. Es galt die Zukunft zu gestalten. Doch wie?

Die 3 Fragezeichen

Destilliert bedarf es dreierlei: Wollen – Sinnhafter Antrieb, Können – Höchstmaß an Fertigkeit und Dürfen – Autonomie. Gleichermaßen stehen uns drei Dinge im Weg: Angst, mentale Modelle und externe Einflüsse.

Eine Geschäftsführung, die mit einer neuen demokratischen Logik der Unternehmensführung an den Start geht, macht sich angreifbar. Joachim Löw wäre nicht mehr Coach der Nationalmannschaft, wäre er mit seinem Ansatz Vizemeister. Doch Demokratie kann nicht alleinig zum Zwecke “des Titelgewinns” genutzt werden. Demokratie bedeutet Bekenntnis und Menschenbild. Tony Hsieh, gestaltete die Kultur von Zappos aus einer inneren Ablehnung traditioneller asiatischer Erziehung. Ricardo Semler wagte mehr Demokratie aus der Überzeugung dem damals noch undemokratischen Brasilien ein erfolgreiches Vorbild sein zu können.

Dies bedeutet Stolpern. Fallen. Bluten. Aufstehen. Alles unter Druck.

Demokratie ist der bestmögliche Rahmen für nachhaltige Gewinnmaximierung. Der Preis ist die Lernkurve, die es notwendigerweise bedarf. Doch es braucht mittel- und langfristigen unternehmerischen Erfolg. Der Wettbewerbsvorteil engagierter, mündiger Mitarbeiter muss sich zur Validierung des Ansatzes herauskristallisieren. Dies erst schafft Freiräume zum Experimentieren und Skalieren.

Einen klaren Rahmen schaffen

Wie organisiert man nun praktisch eine solche demokratische Organisation? Im Fußball ist es einfach. Nach 90 oder 120 Minuten verlässt eine Mannschaft als Sieger oder Verlierer den Platz. Erinnern wir uns zurück an die Mannschaft: Klarer Rahmen (demokratische Mitverantwortung), klare Erwartung (voller Einsatz für das gemeinsame Ziel).

Der Rahmen braucht ein episches Ziel und klare Werte. Wo soll die Reise hingehen und warum?

Der Geschäftsführer kann den Rahmen setzen, doch im Gegensatz zur Anarchie braucht insbesondere Selbst-Organisation klare Regeln, gemeinsame Vokabeln und Disziplin. Hier – beim Einläuten der Demokratie – könnte HR endlich seine neue Rolle finden. Nach der Administrativen Polizeitätigkeit, dem Versagen als Strategischer Partner, bietet die Flucht nach vorne ins Unternehmertum, als Befähiger einer neuen Managementlogik auf Augenhöhe nicht eine sinnhafte Vision der Funktion?

Was hält den HR-Leiter davon ab eine eigene Vision für den Bereich zu definieren? Zum Beispiel als Pionier für unternehmerische Demokratie? Oder nennen wir es menschliches Unternehmertum.

Ein aus der Spieleentwicklung abgeleiteter Prozess (moRHale) ermöglicht es, die Kultur eines Teams wie ein Produkt agil zu entwickeln. Anhand drei epischer Fragen:

  1. Lieben wir unsere Aufgabe?
  2. Haben wir was wir benötigen unser Bestes zu geben?
  3. Fühlen wir uns für unseren Beitrag wertgeschätzt?

beginnt jedes Team, das für sich passende Umfeld zu gestalten. Dies mag mit scheinbar trivialen Themen wie Lärm oder Temperatur im Großraumbüro beginnen. Doch in dem Maße in dem sich das Team unternehmerisch entwickelt, werden die Themen auch konkreter und unternehmerischer. Zum Beispiel kann das Team einen für sich funktionierenden Recruitment-Prozess schaffen. Vielleicht sollen Bewerber direkt mitarbeiten und dann vom Team demokratisch gewählt werden à la Voice of Germany? Vielleicht will man den Chef wählen? Kann man ohne Probleme von zuhause arbeiten? Alles Fragen, die ans Team zurückgespielt werden. Am Ende darf es keine Entschuldigungen mehr geben, keine Bestleistung abgerufen zu haben.

Vernetzte Handwerker

Nun geht es darum den Rahmen mit Leben zu füllen. Eine Vision muss mit unternehmerischen Zielen beseelt werden (z.B. 10 Million Exemplare des nächsten Produktes absetzen). Validiert wird dieses Ziel beispielhaft durch den (netwoRHk) Prozess. In diesem Prozess definiert ein Leader zuallererst seine Vision. Abgeleitet davon schlägt er konkrete Arbeitspakete vor und verknüpft diese mit Mitarbeitern, welche diese seiner Meinung nach leisten können. Diese Arbeitspakete werden inkl. Zeitschätzung und messbarer Erfolgskriterien als Vorschläge an diese Mitarbeiter versandt. Nun kann jeh’ nach Reifegrad des Teams einiges geschehen:

Teams mit geringem unternehmerischen Kompetenzgrad.
Wollen +, Können -, Dürfen o:

Der Mitarbeiter validiert die Vision mit Zustimmung und übernimmt die Schätzung und Ziele. Der Mitarbeiter validiert die Vision mit Zustimmung, korrigiert jedoch Schätzung und/oder Ziele.

Teams mit fortgeschrittenem unternehmerischen Kompetenzgrad.
Wollen ++, Können +, Dürfen +:

Der Mitarbeiter lehnt das Arbeitspaket ab, schlägt jedoch einen besser geeigneten Kollegen vor. Der Mitarbeit lehnt die Vision ab indem er das Arbeitspaket ablehnt und macht einen Gegenvorschlag.

Teams mit kompletten unternehmerischen Kompetenzgrad.
Wollen ++, Können ++, Dürfen ++:

Die Teammitgliedern begeben sich in einen positiven Ideenwettbewerb um die Vision zu definieren. Die Teammitglieder definieren neue Arbeitspakete, welche vorher nicht berücksichtigt wurde. Die Teammitglieder stimmen Arbeitspakete dynamisch mit den Kunden ab.

So bekommt der Chef nicht nur Transparenz über seine unternehmerisches Standing im Team, sondern auch wie es um die Dimensionen Wollen und Können bestellt ist. Seine Stellschraube ist die Dimension Dürfen. Das Team wird so Schritt für Schritt in die Mitverantwortung genommen. Abstrakte Themen wie “Kultur”, “Personalmarketing”, “Gehaltsabrechnung” und “Recruiting” müssen so gemeinsam in messbare Ziele überführt werden. Die Mitarbeiter handeln so letztlich Verträge mit den Kollegen und Lieferanten direkt aus. Jeder Mitarbeiter ist auch dafür verantwortlich, alles für die eigene Arbeit Nötige selbst zu besorgen. So entsteht ein Unternehmen mit 100% Unternehmertum und 0% Bürokratie, indem alle Teammitglieder selbstbestimmte Beschäftigte sind, die Kommunikation und Koordination mit ihren Kollegen, Kunden, Lieferanten und Branchenkollegen ohne Vorgaben von anderen selbst in die Hand nehmen.

Diese Freiwilligkeit führt zu exponentiell erhöhter Autonomie und Proaktivität im Handeln, besonders in unvorhergesehenen Situationen. Solche Organisationen sind wesentlich agiler, wenn sie auf Probleme treffen als starre Prozessorganisationen. Das Element “mündiger Mitarbeiter”, macht den Unterschied.

Das geht doch gar nicht…oder?

Ein Einwand der oft vorgebracht wird, ist, wie das denn bitte mit 10.000 Mitarbeitern funktionieren solle. Dazu zwei Punkte: Wer sich das Spiel der Deutschen Nationalmannschaft genau anschaut, sieht, dass es für den ballbesitzenden Spieler immer ca. 4-5 Anspielstationen gibt. Nicht 10. Im betriebswirtschaftlichen Umfeld arbeiten wir ebenso nie mit mehr als 10-15 Menschen direkt zusammen. Aber durch Transparenz der Teams, kommen ganz neue Ideen, durch ein neues Verständnis des Ganzen und den Wert des eigenen Beitrags im Team.

Eines ist sicher. Das Deutsche Team musste oft Stolpern. Fallen. Bluten. Aufstehen. Alles unter Druck. In diesem Beitrag unbehandelt ist eine gigantische Nachwuchsentwicklungsstrategie im Gange, die nach langem Weg in der A-Nationalmannschaft endet. Jedem Unternehmer, der Demokratie wagt, sollte bewusst sein, dass gegenwärtige Ausbildungen dies Geisteshaltung nicht fördern. Demokratisches Unternehmertum erfordert bewusstes Verlernen und Neulernen. Sicher ist aus den Geschichten der Vorreiter – die Investition rechnet sich langfristig. Denn diese Teams spielen fast ohne Manager. Ohne HR. Ohne Trainer.

Schlagen wir nun die Brücke zurück zu Ronaldo: Der Weltfußballer schied mit Portugal in der Vorrunde aus.

Am Ende zählt die Mannschaft.

Und der Titel gibt ihr Recht.


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